Joachim Königbauer
Am 12. März des Jahres 1849 erblickte auf dem Bauernanwesen des Martin Königbauer und seiner Ehefrau Maria, geb. Hirschauer aus Mauern, ein Bub das Licht der Welt, dem eine für einen Bauernbub damals ungewöhnlich steile Karriere bevor stehen sollte, die in schließlich zu einem der profiliertesten Pädagogen im Königreich Bayern der Prinzregentenzeit werden ließ.
Wenn es auch seine Eltern verstanden hatten, aus einer bescheidenen Kleinbauernstelle (Sölde) den viertgrößten Hof im Dorf zu machen, so schien doch dem auf den Namen Joachim getauften zwölften und letzten Kind seiner Eltern nicht gerade eine Zukunft in Wohlstand zu winken. Weder konnte er die spätere Übernahme des elterlichen Hofes erhoffen, noch die Einheirat in einen stattlichen anderen Hof. Aber Joachim Königbauer hatte eine andere, wertvollere Mitgift aufzuweisen: einen außergewöhnlich hellen Kopf. Schon in der dörflichen Werktagsschule erkannte man bald seine herausragende Begabung und so rieten denn Lehrer, Pfarrer und Hausarzt den Eltern, den Jungen auf die Lehrerbildungsanstalt in Freising zu schicken.

Stationen einer steilen Karriere
Nun war zwar Dorflehrer damals freilich kein Traumberuf, galten diese doch ihrer immer noch schmalen Einkünfte wegen als Hungerleider, sodaß sie bei den Bauern, für die im Grunde ohnehin nur die Größe des Grundbesitzes zählte, nicht in sonderlich hohem Ansehen standen. Aber Joachim Königbauer hatte allen Grund, höher hinauszustreben. Hier in aller Kürze die Stationen seiner Karriere:

1862 glänzend bestandene Aufnahmeprüfung im Freisinger Konvikt, der späteren Präparandenschule. Nach zwei Jahren auf dem Konvikt, zwei weitere Jahre im dortigen Lehrerseminar. 1867 Lehrerexamen – wiederum mit Bestnote bestanden, womit die Weichen nicht zum schlichten Lehrer, sondern zum Lehrerbildner gestellt waren. Nach kürzeren Stationen in Vohburg, Rosenheim und Freising 1880 Präfekt an der Präparandenschule in Amberg. 1887 – mit 38 Jahren – Seminardirektor in Lauingen und endlich 1900 in Würzburg Leiter der Lehrerbildungsanstalt, Dozent für Pädagogik am dortigen Privatseminar und Leiter der Schulaufsicht über verschiedene höhere Lehranstalten. Man hielt sehr viel von seinen pädagogischen Fähigkeiten. Joachim Königbauer war jedoch nicht nur ein herausragender Pädagoge. Er war auch Schulpolitiker, machte sich Gedanken über die Reformbedürftigkeit des Volksschulunterrichts und trat als Verfasser und Herausgeber mehrere bemerkenswerter pädagogischer Bücher hervor. Ausgehend von der Überlegung, dass die Volksschule für viele junge Menschen die einzige Bildungsanstalt und als Grundschule von jedem zu absolvieren ist, es nicht Aufgabe der Volkschule sein könne, bloßes Wissen zu vermitteln, dass sie vielmehr die Schüler zu lebenstüchtigen Menschen und pflichtbewussten Staatsbürgern heranzubilden habe. Daher verurteilte er den herkömmlichen, streng nach Fächern geordneten Unterricht und forderte stattdessen eine fächerübergreifende, an den menschlichen Interessen und Bedürfnissen orientierte Ausbildung.

Die Bedeutung der Staatsbürgerkunde
Und dann ist für den königstreuen Patrioten die Unterweisung in einer Art Staatsbürgerkunde unabdingbar. „Hunderttausende in Stadt und Land haben keinen richtigen Begriff von der Gesellschaftsordnung, von den Rechten und Pflichten des Bürgers, von der Notwendigkeit des Eigentums und der Arbeitsteilung, von dem

Eine Kindheit auf dem Dorf 1849-1862, ISBN 3923657196

Gemeinde- und Staatshaushalt, von dem öffentlichen Rechte, von den Befugnissen des Land- und Reichstages, von der Verfassung usw. Und doch sollen sie sich der Ordnung fügen, Fürst und Vaterland lieben, zu den Wahlen gehen, bei der Rechtsprechung mitwirken usw. Ist das nicht wichtiger, als die Kenntnis von so und soviel Jahreszahlen, Fluß-, Berg-, Tier und Pflanzennamen, die schwer erlernt und leicht vergessen werden?“ (Zitat aus „Zur Reform des Unterrichtsbetriebes in Volksschulen“; Bamberg 1894). Angesichts einer so ausgreifenden Wirksamkeit in exponierter Stellung, eingebettet in eine festverankerte monarchistisch patriotische Grundhaltung, verwundert es nicht, dass ihm der bayerische Landesvater für seine Verdienste den Michaels-Verdienstorden verleih. Pünktlich mit dem Ende der bayerischen Monarchie ging Joachim Königbauer in Pension. Die ihm verbleibende Lebenszeit – immerhin noch anderthalb Jahrzehnte – nutzte er, seiner Heimatgemeinde Etterschlag ein literarisches Denkmal zu setzen mit seinen Jugenderinnerungen, deren Erscheinen als Buch (Aus meiner Jugendzeit“, Würzburg 1933) er noch erleben durfte. Mit gewandter Feder – zuweilen mit allzu strapazierter Bildhaftigkeit – schildert er seine dörfliche Alltags- und Festtagswelt der fünfziger und frühen sechziger Jahre. Wenn auch die Eindrücke und Erlebnisse im Abstand von mehr als 60 Jahren rückblickend gesehen sind, besteht doch kein Zweifel, dass die Geschehnisse wirklichkeitsgetreu wiedergegeben sind, sodass seine Jugenderinnerungen als eine wertvolle heimatgeschichtliche Quelle gelten können. In erster Linie wohl aus diesem Grunde ehrte ihn seine Heimatgemeinde mit der Würde eines Ehrenbürgers.

Mit freundlicher Erlaubnis von Werner Bülow